Welcher Erziehungsstil ist der Beste?
Unerzogene Kinder waren schon vor über 2.000 Jahren ein Thema – Dem griechischen Philosophen Sokrates wird der Ausspruch zugeschrieben, dass die «Jugend von heute» den Luxus liebe, schlechte Manieren habe und die Autorität verachte. Die klare Antwort darauf war damals und noch für sehr lange Zeit ein autoritärer Erziehungsstil, der Kinder und Jugendliche auf das «soziale Funktionieren» in einer ebenso autoritär organisierten Gesellschaft vorbereiten sollte. Doch wie sieht es heute aus?
Wie soll ich meine Kinder erziehen?
Heutige Eltern haben die Qual der Wahl in einem Spektrum von autoritärer Erziehung bis Laissez Faire. Die positive Seite daran ist, dass sie individuell entscheiden können, welcher Erziehungsstil – und damit welches Welt- und Menschenbild – den Familienalltag prägt.
Gleichzeitig lastet auf ihnen damit ein starker Druck, nicht umsonst haben Erziehungsratgeber und TV-Reality-Dokus zu pädagogischen Fragen Konjunktur. Das «Generationsbarometer» des Allensbacher Instituts für Demoskopie gibt allerdings auch Entwarnung: 90 Prozent der im Jahr 2009 befragten Eltern wollen ihre Kinder zu selbstbewussten, starken und freiheitsliebenden Persönlichkeiten erziehen.
80 Prozent von ihnen sind davon überzeugt, dass sie dabei keine großen Fehler machen und ihr Erziehungsstil vor allem durch Liebe, Zuspruch und Verständnis für das Kind geprägt ist.
Autoritär oder einfach machen lassen – was gibt es sonst noch?
Was ist eine autokratische Kindererziehung?
Der autokratische Erziehungsstil geht davon aus, dass die Erziehung von Kindern zwingend Autorität – eine «starke Hand» erfordert. Strenge Regeln ohne Kompromisse stehen absolut im Vordergrund. Selbstständigkeit oder Eigeninitiative des Kindes sind darin nicht vorgesehen.
Das Selbstwertgefühl und die Kreativität des Kindes können sich dabei kaum entfalten, aus seelischen Verletzungen und Minderwertigkeitsgefühlen heraus erwächst oft ein großes Aggressionspotential. Im Kern geht es dabei um ein konsequent patriarchalisches Erziehungsmuster.
Was ist eine autoritäre Kindererziehung?
Eine autoritäre Erziehung mildert dieses Modell etwas ab – der dänische Erziehungswissenschaftler Jesper Juul spricht trotzdem von der «Elterndiktatur». Die Erziehung ist von Regeln, Hierarchien, Belohnungen und Strafen geprägt und nimmt wenig Rücksicht auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes.
Was ist ein demokratische Kindererziehung?
Der demokratische Erziehungsstil ermöglicht es dem Kind, sich in einem ausgewogenen Verhältnis von Autorität und Freiheit auszuprobieren. Lenkung bedeutet hier vor allem Orientierung. Alle wichtigen Entscheidungen werden zwischen Eltern und Kindern besprochen und erklärt. Das Kind bekommt genügend Raum, Eigenaktivität und Selbstständigkeit zu entwickeln, lernt jedoch auch Grenzen kennen.
Was ist eine egalitäre Kindererziehung?
Bei einem egalitären Erziehungsstil herrscht absolute Gleichberechtigung zwischen den Eltern und ihren Kindern. Die Ansichten und Wünsche des Kindes werden aktiv erfragt und finden im Alltag ebenso Berücksichtigung wie die Elternmeinung. Familiäre Hierarchien existieren nicht, Entscheidungen werden grundsätzlich gemeinsam getroffen. Schwieriger kann es jedoch im späteren Leben werden, wenn das Kind auf hierarchische Strukturen trifft.
Was ist eine antiautoritäre Kindererziehung?
Antiautoritäre Erziehung ist ihrem Kern ein «ideologischer» Begriff. Er wurde ursprünglich als Gegenpol zur autoritären Erziehung formuliert. Das Kind entschied dabei weitgehend nach dem Lustprinzip und frei von äußeren Zwängen. Als gelebtes Erziehungsmodell spielt sie hierzulande heute kaum noch eine Rolle, sondern wurde vor allem durch den demokratischen und zum Teil durch einen egalitären Erziehungsstil ersetzt.
Was ist eine permissive Kindererziehung?
Ein permissiver Erziehungsstil steht zwischen antiautoritärer Erziehung und Laissez Faire. Die Eltern halten sich hier eher zurück. Das Kind ist frei in seinen persönlichen Entscheidungen, aber auch sehr stark in der Pflicht, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Im Gegensatz zu einer Laissez-Faire-Erziehung gibt es hier jedoch zumindest an bestimmten Punkten Grenzen – und damit die Möglichkeit von Aufgehoben sein und Sicherheit.
Was ist eine Laissez-Faire Kindererziehung ?
Die Laissez-Faire-Erziehung formuliert einen extremen Gegenpol zu einer autokratischen oder autoritären Erziehung. Die Eltern verhalten sich eher passiv, das Kind bleibt im Wesentlichen sich selber überlassen. Einen klaren Rahmen, der Orientierung oder Sicherheiten bieten könnte, gibt es dabei nicht.
Was ist eine negierende Kindererziehung?
Bei einem negierenden Erziehungsstil zeigen die Eltern kein Interesse am Verhalten, den Bedürfnissen und der Entwicklung ihres Kindes, eine emotionale Beziehung besteht de facto nicht. Das Kind ist absolut auf sich allein gestellt, eine Erziehung erfolgt allenfalls durch die sekundäre/außerfamiliäre Umwelt.
Und was ist die richtige Erziehung für mein Kind?
Hierzulande besteht über die richtige Erziehung ein breiter Konsens:
80 Prozent der Eltern praktizieren einen nicht autoritären Erziehungsstil. Der Trend geht seit langem zu einer demokratischen Erziehung.
In der Praxis handelt es sich dabei um einen flexiblen Erziehungsstil, in dem die demokratischen Komponenten überwiegen. Ihre persönliche Balance darin müssen die Eltern – und die Kinder – selber finden.
Der zentrale Punkt dabei ist, dass Erziehung situationsabhängig vor sich geht. Autoritäre Elemente sind darin durchaus enthalten, in bestimmten Situationen kann das Kind jedoch auch frei entscheiden. Die elterliche Autorität wird dabei weniger über Anweisungen und Befehle, sondern über lenkende Vorschläge, Förderung der Selbstständigkeit und innerfamiliäres Lernen ausgeübt.
Eltern werden durch eine solche Erziehung zu aktiven Begleitern ihrer Kinder und geben ihnen gleichzeitig emotionale Sicherheit.
Erziehungsforscher wissen, dass Kinder die besten Entwicklungschancen haben, wenn der Erziehungsstil im Elternhaus sehr demokratisch ist. Die Kinder aus solchen Familien zeichnen sich oft durch ein besonders hohes Maß an Selbstvertrauen, sozialer Reife, Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit aus.
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