Gewalt in der Familie – oft bleibt verborgen, was hinter verschlossenen Türen vor sich geht oder es wird weggeschaut. Betroffene schweigen häufig aus den unterschiedlichsten Gründen – Scham, Schuldgefühle und Angst können dazu führen, stillschweigend zu leiden, statt Maßnahmen zu ergreifen.
Erzieher sind per Gesetz verpflichtet, bei begründeten Verdachtsmomenten tätig zu werden
Männer können ebenso wie Frauen Opfer häuslicher Gewalt werden, am schlimmsten trifft es jedoch Kinder, diese sind ihrer Situation hilflos ausgeliefert.
Formen der Gewalt in der Familie
Es ist zwar unschön, kann aber jedem passieren – in einer emotionsgeladenen Situation rutscht die Hand aus. Das ist an sich noch keine Gewalttat, sofern eine solche Reaktion nicht die Regel ist.
Auch kann jeder mal einen schlechten Tag haben und den Partner oder das Kind ungerecht behandeln. Dabei handelt es sich nicht um seelische Gewaltausübung, in einer ruhigen Minute lässt sich alles klären.
Versuchen Sie körperliche Gewalt und Handgreiflichkeiten zu vermeiden. Verlassen Sie den Raum, versuchen Sie selbst zur Ruhe zu kommen und die Probleme verbal zu lösen. Entspannungstechniken können Ihnen helfen auch in schwierigen Situation mit den Kindern und dem Partner Ruhe zu bewahren.
Dennoch gibt es in Familien tatsächliche Formen der körperlichen und seelischen Gewalt. In der Psychologie wird darunter die nicht zufällige Schädigung des Partners oder Kindes verstanden, was eben auf körperlicher und seelischer Ebene geschehen kann.
Körperliche Gewalttaten können mit Schlägen, Tritten, Schütteln, Boxen, Würgen, dem Prügeln mit Gegenständen und Ähnlichem einhergehen. Schlimmstenfalls kommt es zu schweren Verletzungen, oft sind die Spuren aber nicht für jeden ersichtlich, beispielsweise von der Kleidung verdeckte Blutergüsse.
Seelische Gewalt kann sehr subtil ausgeübt werden, indem ständiger Druck erfolgt, ein Gefühl von Minderwertigkeit vermittelt oder mit Liebesentzug gedroht wird. Extremere Formen können mit deutlicher Vernachlässigung einhergehen. Davon sind Kinder besonders betroffen, denn mangelnde Zuneigung und Betreuung kann zu Entwicklungsstörungen führen.
Eine unzureichende Ernährung, Pflege und gesundheitliche Versorgung ist eine Kombination aus körperlicher und seelischer Gewalt – das alles geht stets mit einem Mangel an Aufmerksamkeit einher. Ebenso verhält es sich mit sexuellem Missbrauch – hier wird körperliche Gewalt ausgeübt, es entsteht aber immer auch ein seelischer Schaden.
Langfristig leiden bei Gewalt in der Familie stets Körper und Seele: Psychische Leiden führen früher oder später zu körperlichen Problemen wie Krankheiten oder Essstörungen, körperliche Leiden können nicht dauerhaft seelisch verarbeitet werden.
Weniger Schaden richtet Gewalt an Gegenständen an. Fliegen regelmäßig Kissen oder Teller gegen die Wand, begleitet von lautem Geschrei, tut das zunächst keinem weh. Dennoch kann sich natürlich Angst einstellen, so dass auch die Gewaltausübung an Gegenständen seelische Wirkung hat.
Gewalt in der Familie: Mögliche Ursachen
Die Ursachen für Gewalt in der Familie sind vielseitig. Alkohol und Drogen können eine Rolle spielen, die Kompensation eines mangelnden Selbstwertgefühls kann über Gewaltausübung erfolgen, verbale Unzulänglichkeiten werden gelegentlich durch körperliche Tätigkeiten ausgeglichen, auch Menschen, die nie gelernt haben, mit Konflikten umzugehen, können zu Gewalt neigen.
Daneben gibt es psychische Ursachen, die emotional in der Persönlichkeit verankert sind oder durch Ereignisse ausgelöst werden. Wurde ein Partner betrogen, kann das einen Ausbruch von Gewalt zur Folge haben. Stellt sich heraus, dass das Kind nicht dem eigen Fleisch und Blut entstammt, kann sie sich auch gegen das Kind richten.
Menschen, die besonders eifersüchtig und mit ihren Emotionen überfordert sind, können ohne tatsächlichen Anlass, aus emotionaler Hilflosigkeit heraus, zu Gewalt neigen. Das betrifft auch die Überforderung im Umgang mit Kindern.
Hinweise für Außenstehende
Erwachsenen fällt es recht leicht, verschiedene Verletzungen zu verbergen – Würgemale am Hals werden mit einem Schal verdeckt, Blutergüsse mit langärmliger Kleidung, die Schwellung im Gesicht ist einem tollpatschigen Sturz auf der Treppe zu verdanken.
Haben Nachbarn am Abend zuvor lautes Geschrei aus der Wohnung gehört, liegt allerdings der Verdacht nahe, dass es sich um eine faule Ausrede handelt. Langärmlige Kleidung im Hochsommer lässt in einem solchen Fall ebenfalls Rückschlüsse zu. So tollpatschig, sich regelmäßig die Hand beim Kochen zu verbrühen, kann auch kaum jemand sein.
Kinder toben gerne und fallen mal hin – dabei ziehen sie sich gelegentlich Schrammen, blaue Flecken, Blutergüsse oder auch Knochenbrüche zu. Derartige Verletzungen müssen also nicht zwangsläufig auf eine Gewalttat hindeuten. Eine ungewöhnliche Häufung aber verdient die Aufmerksamkeit von Nachbarn, Bekannten und Erziehern.
Das trifft auch auf die Art und den Ort der Verletzung zu – das Schienbein ist schnell mal angestoßen, bei einem Sturz leiden vorzugsweise Knie, Hände und Ellenbogen, Blutergüsse an Oberarmen, Oberschenkeln und Rücken sind weniger wahrscheinlich.
Das Fatale: Kinder neigen dazu, ihre Eltern selbst bei groben Misshandlungen schützen zu wollen. Es ist daher nicht unüblich, dass sie versuchen, ihre Verletzungen zu verstecken, indem sie sich beispielsweise zum Sport nicht umziehen möchten. Auch sind sie häufig nicht um Ausreden verlegen – hier gilt es zu prüfen, ob ein geschildertes Ereignis mit den Verletzungen in Einklang zu bringen ist.
Schwieriger wird es bei seelischer Gewalt, sofern es keine Anzeichen der Vernachlässigung oder Verwahrlosung gibt. Verhaltensauffälligkeiten können ebenso wie unerklärliche Lernschwächen oder plötzlicher Leistungsabfall Hinweise geben. Betroffene Kinder können besonders aggressiv sein oder sich zurückziehen. Derartige Auffälligkeiten zeigen sich nicht selten auch bei Opfern körperlicher Gewalt.
Konkret bedeutet das: Weisen Kinder ungewöhnliche oder ungewöhnlich häufige Verletzungen auf, wirken in ihrem Verhalten merkwürdig oder anders als üblich oder bemerken Sie gar eine Kombination von beidem, sollten die Alarmsirenen angehen. Bei jeglichem Verdacht auf Kindesmisshandlung ist umgehende Hilfe angesagt.
Auch betroffene Erwachsene brauchen natürlich Hilfe, die Herangehensweise kann sich jedoch unterscheiden, indem Sie das offene Gespräch suchen und Unterstützung anbieten sowie Lösungswege aufzeigen. Das führt nicht immer zum Erfolg, kann aber zumindest einen Versuch wert sein.
Gewalt in der Familie: Maßnahmen ergreifen
Haben Sie in einem akuten Fall den Verdacht, dass in einer Familie Gewalt ausgeübt wird, ist stets die Polizei der richtige Ansprechpartner. Stellt sich der Verdacht aufgrund äußerer Auffälligkeiten ein, können Sie bei Erwachsenen nicht viel mehr tun, als das Gespräch suchen und geeignete Anlaufstellen nennen.
Vermuten Sie Gewaltausübung gegenüber einem Kind, haben Sie mehrere Möglichkeiten: Sprechen Sie wenn möglich Erzieher an und erzählen Sie von Ihren Beobachtungen – Erzieher sind per Gesetz verpflichtet, bei begründeten Verdachtsmomenten tätig zu werden. Weitere Ansprechpartner sind Polizei und Jugendamt.
Haben Sie aufgrund eines Verdachts Bedarf an einer Beratung oder sind sich unsicher, ob und was Sie unternehmen sollen, können Sie sich an den Weißen Ring wenden.
Was Betroffene tun können
Auch, wenn es schwerfallen mag, sich zu wehren – familiäre Gewalt ist strafbar und niemand muss sich körperliche oder seelische Gewalt gefallen lassen. Sie tragen nicht nur die Verantwortung für sich selbst, sondern auch für Ihr Kind – selbst, wenn diesem keine direkte Gewalt zugefügt wird, leidet es darunter, wenn Sie betroffen sind!
Beim Jugendamt oder bei Beratungsstellen wie der Caritas erhalten Sie kostenfreie Beratungen und Unterstützung. In besonderen Familienverhältnissen werden gute Netzwerke von Beginn angeboten, wie zum Beispiel die Betreuung durch eine Familienhebamme im ersten Lebensjahr Ihres Kindes sowie weitere Betreuung durch einen Sozialarbeiter oder eine Familienhelferin.
Bei körperlicher Gewalt ist immer die Polizei der erste Ansprechpartner. Sie kann ein zehntägiges Betretungsverbot für den Täter anordnen, in diesem Zeitraum darf er die gemeinsame Wohnung nicht betreten. Sie können die Zeit für weitere Maßnahmen nutzen, beispielsweise eine Einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirken.
Ist Ihr Kind direkt betroffen, wird die Polizei ohnehin das Jugendamt informieren, welches wiederum das Familiengericht verständigt. Dort erhalten Sie Unterstützung und es wird alles unternommen, um Ihr Kind vor weiteren Gewalttaten zu schützen.
Hilfe erhalten Sie – auch als Opfer seelischer Gewalt – durch den Weißer Ring Opferhilfe. Eine weitere Anlaufstelle ist die «Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V.«.
Fazit
- Gewalt in der Familie darf nicht geduldet werden, weder von Betroffenen noch sollten Außenstehende die Augen davor verschließen
- Erzieher informieren
- Polizei rufen
- Jugendamt einschalten
- Beratung und Unterstützung in Anspruch nehmen
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.