Soziale Kompetenz ist essenziell für die Persönlichkeitsentwicklung – Ein einfühlsames, verständnisvolles und kooperatives Miteinander als normale Umgangsform in der Familie und in anderen Gemeinschaften ist keine Selbstverständlichkeit. Soziale Kompetenz muss ebenso gelernt werden, wie viele andere Fähigkeiten auch.
Familie als Entfaltungsraum sozialer Kompetenz
Dass diese Persönlichkeitskompetenz sehr wichtig ist, zeigen wissenschaftliche Untersuchungen. Sie bestätigen, dass soziale und emotionale Kompetenz zu 70 bis 80 Prozent über ein gelingendes Privat- und Berufsleben entscheiden.
Schon der unternehmerisch erfolgreiche Henry Ford war vor über 100 Jahren überzeugt: «Wenn es ein Geheimnis des Erfolges gibt, so ist es das: Den Standpunkt des anderen zu verstehen und die Dinge mit seinen Augen zu sehen.»
Die Familie ist der erste Übungs- und Entfaltungsraum und somit ein sozial und emotional stabiles Umfeld für das Kind. Hier erfahren Babys und Kleinkinder das Miteinander mit anderen Menschen am besten. Sie lernen, wie andere Menschen auf Ihre Verhaltensweisen reagieren. Mit der Zunahme der Fähigkeit, sich bewusst zu äußern und den dadurch erfahrenen Reaktionen, wächst ihr Kanon an Verhaltensweisen.
Schon Babys versuchen ihr Verhalten erwünschten Reaktionen in ihrem Umfeld anzupassen. Die Sichtweise von Babys und Kleinkindern unterscheidet sich allerdings häufig grundlegend von denen Erwachsener. Zwar wird ein Mensch als soziales Wesen geboren; Empathie und Einfühlungsvermögen sind jedoch nicht von Geburt an ausgeprägt.
Kinder müssen erst lernen, dass die Empfindungen des Gegenübers von den eigenen stark abweichen können. Es erfordert viele soziale Lernsituationen, um andere Gefühls- und Motivationslagen zu erkennen, auf diese adäquat zu reagieren und Konfliktsituationen zugunsten aller Beteiligten erfolgreich zu klären.
Die Entwicklungsstufen sozialer Kompetenz
Bereits im Mutterleib, in der Symbiose des Ungeborenen mit seiner Mutter, findet ein erstes soziales Lernen statt. Das Ungeborene spürt die Gefühle seiner Mutter. Viele Entwicklungspsychologen gehen davon aus, dass diese Erfahrungen die spätere Entwicklung der sozialen Kompetenz bereits beeinflussen.
Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass ein Mensch als sozial kompetentes Lebewesen geboren wird. Diese Ansicht stimmt jedoch nur teilweise. Die Grundlagen für die soziale Kompetenz sind zwar angeboren. Die Ausbildung erfolgt jedoch im Verlauf der Kindheit und des ganzen Lebens.
Die soziale Kompetenz zählt zu den Entwicklungsbereichen, die Menschen auch als Erwachsene immer wieder vor neue Lernsituationen stellen und die weit über die kindlichen Lernphasen hinausgehen. So gehören beispielsweise auch Begegnungen und der adäquate Umgang mit anderen Kulturkreisen dazu.
Schon mit der Geburt stellt sich die erste zentrale Lernherausforderung für Baby und Mutter. Die bisherige, innige Interaktion im Mutterleib wandelt sich in entscheidender Weise. Die Symbiose von Kind und Mutter erhält eine vollkommen neue Umgangsform und weitere Bezugspersonen, wie Vater und gegebenenfalls Geschwister, kommen in direktem Kontakt dazu.
Nachfolgend sind die wichtigsten Entwicklungsstufen des sozialen Lernens bis ins Schulalter aufgeführt.
vor der Geburt
- schon in den ersten SSW Reaktionen auf Reize (wie Geschmacksveränderungen im Fruchtwasser)
- Spüren der mütterlichen Gefühlslage
- Wahrnehmung der Kommunikation, die eine Mutter gegenüber ihrem Ungeborenen äußerst (Streicheleinheiten, Reden, …)
die soziale Grundausstattung zur Geburt
mit der Geburt:
- Bevorzugung menschlicher Laute und Gesichter
- reflexartiges Lächeln
- Zeigen grundlegender Gefühle
- Bindungsfähigkeit zu Bezugspersonen
kurz nach der Geburt
- Bonding-Phase (Eltern-Kind-Bindung) beginnt
- häufig Nachahmen von mimischen Gesten bereits wenige Stunden und Tagen nach der Geburt
- erste soziale und emotionale Empfindungen: Interesse, Zufriedenheit, Unzufriedenheit
- Vorliebe für das Betrachten von Gesichtern anstatt von Objekten
bis zum sechsten Lebensmonat
- Entwicklung des sozialen Lächelns
- «Tragling» – das Getragenwerden reizt alle Sinne auf positive Weise
- Entwicklung bereits sprachähnlicher Laute
- Ausdruck sozial relevanter Gefühlszustände
- zunehmende soziale Reaktionen, Zeigegesten
bis zum zwölften Lebensmonat
- Plapperphasen
- Fremdelphasen: die Unterscheidung zwischen Bekannten und Fremden wird als Meilenstein in der sozialen Entwicklung eines Kindes betrachtet
- Entwicklung von Basisemotionen (Angst, Freude, Traurigkeit, Überraschung)
- deutliche Zeichen, wenn die Mama vermisst wird
zweites Lebensjahr
- Lauflernalter, Erschließen neuer sozialer Welten
- wachsende Sprachkompetenz, soziale Interaktionen und passives Sprachverstehen
- weitere Differenzierung der sozialbezogenen Gefühlslagen (Ausdruck dieser körperlich, sprachlich und mimisch)
- Suche nach Nähe und Kontakt zu Bezugspersonen
- Nebeneinander spielen und gegenseitiges Beobachten älterer und gleichaltriger Kinder (Zusammenspielen ab ca. 15. bis 17. Lebensmonat)
- Erkennen des eigenen Spiegelbildes
- Ausbildung von Gewohnheits- und Eigentumsvorstellungen
- Erkennen einfacher Handlungsabfolgen und einfacher Zusammenhänge des sozialen Miteinanders
- Beginn der Trotz- und Autonomiephase
drittes Lebensjahr
- stark zunehmender Wortschatz
- Prozess des Trockenwerdens beginnt
- Zunahme des Selbstbewusstseins und des Selbstvertrauens sowie des selbständigen Handelns (bei entsprechender positiver Unterstützung und Förderung)
viertes Lebensjahr
- kreativer Umgang mit der zunehmenden Sprachkompetenz
- größerer Kreis an Bezugspersonen und Bekannten
- Fähigkeit zu Teilen
- Abklingen der Trotzphase
fünftes Lebensjahr
- Ausbildung immer deutlicherer Selbst- und Fremdbilder
- oft schon ausgebildetes Schamempfinden
- Fähigkeit zu lügen und zu mogeln (das ist eine normale und keine negative Entwicklung)
- Zunahme der Mobilität und Selbstständigkeit
- Interesse für Vorbilder
- häufige Fragen nach Sexualität
sechstes Lebensjahr
- Ausbildung immer klarerer Werte- und Moralvorstellungen
- intensiveres Kennenlernen und Wahrnehmen unterschiedlicher sozialer Settings (Familie, Nachbarn, Sportverein, Kindergartengruppe)
- Bildung festerer Freundschaften
Soziale Kompetenz fördern mit Tipps erfahrener Eltern und Pädagogen
Soziale Kompetenz fördern bedeutet, die einzelnen Entwicklungsphasen von Babys und Kindern bestmöglich zu unterstützen. Befindet sich Ihr Kleines beispielsweise in der Fremdelphase, die häufig rund um den 8. Lebensmonat verstärkt auftritt, lassen Sie sie diese auch zu und geben Ihrem Baby in solchen Situationen den Schutzraum, den es sucht. Möchte es beispielsweise nicht zur Tante oder Oma auf den Arm, dann akzeptieren Sie das.
Versuchen Sie als Eltern möglichst vorausschauend Konfliktsituationen mit Ihrem Kind zu erkennen und sich auf diese einzulassen. Gehen Sie stets auf die Bedürfnisse Ihres Kindes ein und geben Sie ihm immer die Möglichkeit, Umgang mit anderen Kindern zu haben. Das Lernen in sogenannten Peergroups (Gruppen Gleichaltriger) zählt zu den wichtigsten Lernorten bei der Ausbildung der sozialen Kompetenz und der Persönlichkeitsentwicklung.
Wichtiger Bestandteil sozialer Kompetenz ist Kooperation lernen
Das Miteinander und Zusammenwirken mit anderen ist ein zentraler Punkt bei der Entwicklung einer sozial kompetenten Persönlichkeit. Nach Jane Nelsen lässt sich Kooperation am Besten in der Eltern-Kind-Kommunikation erlernen, wenn sich Eltern den folgenden vier Schritten der Kooperation bewusst sind und diese in gleichbleibender Reihenfolge beachten sowie anwenden.
- Erster Schritt: Es ist wichtig, besonders in Konfliktsituationen, die Empfindungen des Gegenübers zu spiegeln. So zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie versuchen seine Situation nachzuvollziehen und für seine Reaktion und Gefühlslage Verständnis haben.
- Zweiter Schritt: Betonen Sie, dass Sie Verständnis für die Gedanken und Gefühle des Kindes haben.
- Dritter Schritt: Zeigen Sie in altersgemäßer Form, was Sie selber fühlen und denken.
- Vierter Schritt: Versuchen Sie gemeinsam eine Einigung für eine gegebene Situation zu finden.
Wenn Sie all diese Schritte in den verschiedensten Alltagssituationen durchführen, wird Ihr Kind diese Verhaltensweise annehmen und später im Umgang mit anderen Menschen selbst anwenden, um auf bestimmte Situationen angemessen reagieren zu können.
Emotionale Intelligenz als wichtiger Schlüsselfaktor
Neben der sozialen Kompetenz ist auch die emotionale Intelligenz für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern sehr wichtig. Der Begriff der emotionalen Kompetenz beschreibt die Fähigkeit individuelle Gefühle und die Emotionen anderer möglichst richtig wahrzunehmen, zu begreifen und zu steuern.
Der intelligente Umgang mit den eigenen Empfindungen ist eine essentielle Voraussetzung für Lernerfahrungen. Stimmt die eigene Gefühlswelt nicht, so sind Lernerfahrungen in jedem Alter stark beeinträchtigt. Kognitive Lernerfahrungen, wie Sie beispielsweise in der Schule gefordert werden, können durch bestimmte Gefühlslagen sogar vollkommen blockiert werden.
Doch wie lässt sich dieses Wissen im Erziehungsalltag praktisch umsetzen? Ein wichtiger Ansatzpunkt ist das Vertrauen der Kinder auf die eigene Gefühlswahrnehmung zu stärken. Übergehen Sie die Wünsche und auch Proteste Ihrer Kinder nicht. Möchte Ihr Kind zum Beispiel etwas nicht essen oder ein Kleidungsstück nicht anziehen, kann es durchaus einen guten Grund dafür haben.
So kann beispielsweise ein Glas Milch sauer sein (ohne dass Sie es vorher bemerkt haben) oder der Pullover unangenehm auf der Haut kratzen. Wird der Wille eines Kindes in solchen Situationen häufig übergangen, kann es dazu kommen, dass es die Wahrnehmung der eigenen Gefühle als unwichtig oder falsch empfindet. Ein Umstand, der die emotionale Intelligenz und somit die Entwicklung der sozialen Kompetenz stark beeinträchtigen kann.
Fazit
- Entwicklung der sozialen Kompetenz ist ein wichtiges Lernfeld in der Persönlichkeitsentwicklung
- Schlüsselfaktor, ob sich ein Mensch mit seinem Leben wohl fühlt, sich verstanden fühlt und Konfliktsituationen für sich und andere lösen kann
- Soziale Kompetenz wird stark von der emotionalen Kompetenz geprägt
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.