Social Freezing in Deutschland
Social Freezing: Ein Angebot großer IT-Konzerne
Social Freezing ist durch Facebook und Apple in die öffentliche Diskussion geraten – die beiden IT-Konzerne bieten ihren Mitarbeiterinnen an, die Kosten für das Einfrieren ihrer Eizellen zu übernehmen. Aus medizinischen und ethischen Gründen ist die «Fruchtbarkeitsversicherung» jedoch nicht unumstritten.
Die beiden IT-Konzerne wollen ihren Mitarbeiterinnen mit Social Freezing bessere Möglichkeiten für die Erfüllung ihres Kinderwunsches bieten, ohne dafür auf eine berufliche Karriere zu verzichten. Kritiker meinen allerdings, dass dies vor allem den Arbeitgebern nützt. Deutsche Unternehmen übernehmen die Kosten dafür bisher nicht, trotzdem gewinnt das Verfahren auch hierzulande an Bedeutung.
Zahlen und Trends in Deutschland
Das wissenschaftliche Netzwerk Fertiprojekt – ein gemeinsames Projekt von reproduktionsmedizinischen Zentren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – nennt Zahlen. Demnach haben im Jahr 2012 in Deutschland nur 22 Frauen diese Möglichkeit genutzt, 2013 waren es bereits 134 Frauen. Pro Jahr gehen die Experten von etwa 300 Social-Freezing-Fällen aus, da nicht alle Kliniken die Behandlung melden.
Wie funktioniert Social Freezing?
Social Freezing kam ursprünglich vor allem bei Krebspatientinnen zum Einsatz, die nach einer Chemo- und Strahlentherapie mit Unfruchtbarkeit oder Chromosomenschädigungen künftiger Kinder rechnen mussten. Seit den 1970er Jahren wurden die entnommenen Eizellen durch langsames Einfrieren konserviert, nach dem Auftauen waren hierbei jedoch nur wenige Zellen lebensfähig.
Vor einigen Jahren wurde dieses Verfahren durch die sogenannte Vitrifikation oder Kryokonservierung abgelöst. Dabei werden die Eizellen in Bruchteilen von Sekunden in flüssigem Stickstoff mit einer Temperatur von – 196 Grad Celsius schockgefroren. Hierdurch werden alle biologischen und physikalischen Vorgänge gestoppt. Die Eizellen können danach über Jahre oder sogar Jahrzehnte eingelagert werden.
Die Zahl der entnommenen Eizellen ist gesetzlich nicht beschränkt
Verfahren des Social Freezing
Bis auf das Einfrieren der Eizellen ist das Vorgehen für Social Freezing identisch mit der ersten Stufe einer Fruchtbarkeitsbehandlung, die eine In-Vitro-Fertilisation – also die eine Befruchtung außerhalb des mütterlichen Körpers («in vitro» = im Glas) zum Ziel hat. Frauen, die sich dazu entschließen, erhalten zunächst eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke. Das Wachstum der Follikel (Eibläschen) wird während dieser Zeit durch Ultraschalluntersuchungen überwacht.
Entnahme und Befruchtung der Eizellen
Die Entnahme der Eizellen erfolgt vaginal im Rahmen eines ambulanten Eingriffs. Wie viele Eizellen in einem Behandlungszyklus reifen, ist individuell unterschiedlich. Meist können acht bis zwölf Eizellen entnommen werden.
Gesetzliche Einschränkungen für die Zahl der konservierten Zellen existieren in Deutschland nicht. Verboten sind lediglich Eizellspenden an andere Empfängerinnen. Eine spätere Befruchtung erfolgt «in vitro», der Mutter werden danach mehrere Embryonen eingepflanzt.
Wie sind die Erfolgschancen von Social Freezing?
Das Einfrieren und Auftauen überleben nach aktuellem Kenntnisstand rund 80 bis 90 Prozent der Eizellen, von denen 50 bis 70 Prozent befruchtungsfähig sind. In 25 bis 60 Prozent der Fälle kommt es nach einer In-Vitro-Fertilisation zu einer Schwangerschaft, pro Eizelle liegt deren Wahrscheinlichkeit bei etwa acht Prozent.
Die Erfolgschancen für eine Schwangerschaft nach Social Freezing steigen, wenn die Eizellen möglichst früh entnommen werden. Der ideale Zeitpunkt liegt vor dem 30. Geburtstag. In der Praxis entscheiden sich in Deutschland die meisten Frauen jedoch zehn Jahre später für die Prozedur, zum Zeitpunkt der Zellentnahme sind sie im Schnitt 38,5 Jahre alt.
Wo wird diese Behandlung durchgeführt und wieviel kostet sie?
Social Freezing wird in reproduktionsmedizinischen Zentren durchgeführt. Die Kosten dafür werden von den Kassen grundsätzlich nicht getragen. Für einen Behandlungszyklus – also die hormonelle Stimulation sowie die Zellentnahme – werden 3.000 bis 3.500 Euro fällig, vor allem bei älteren Frauen sind jedoch oft mehrere Zyklen nötig.
Die Lagerung der Eizellen kostet pro Jahr mehrere hundert Euro. Für die erforderliche In-Vitro-Fertilisation werden später ebenfalls rund 3.000 Euro fällig.
Welche Frauen entscheiden sich für Social Freezing?
Durch Social Freezing können Frauen den Zeitpunkt, zu dem sie schwanger werden wollen, unabhängig von ihrer «biologischen Uhr» selbst bestimmen. Eine Schwangerschaft ist hierdurch zumindest theoretisch auch noch nach dem Einsetzen der Wechseljahre möglich.
Abgesehen von medizinischen Indikationen liegen die Gründe, sich für ein Social Freezing zu entscheiden, vor allem in der persönlichen Karriereplanung. Andere Frauen wählen diese Möglichkeit, da sie den richtigen Partner noch nicht gefunden haben oder in jungen Jahren aus persönlichen Gründen nicht für ein Kind bereit sind.
Sind mit Social Freezing Risiken verbunden?
Social Freezing ist ein noch sehr junges medizinisches Verfahren, dessen Risiken noch nicht umfassend erforscht sind. Mögliche Risikofaktoren ergeben sich aus dem Gefrierprozess sowie der Lagerdauer, aber auch aus der Verwendung von Gefrierschutzmitteln, auf die bei der Kryokonservierung nicht verzichtet werden kann.
Die Wahrscheinlichkeit für Mehrlingsschwangerschaften steigt. Zwei Studien aus Australien und Schweden legen nahe, dass das Risiko der Kinder für Fehlbildungen sowie Autismus und andere psychische Auffälligkeiten etwas höher liegen könnte.
Hinzu kommen ethische Aspekte, die sich nicht nur auf das Pro und Contra zu sehr späten Schwangerschaften oder die seelischen Folgen für ein Kind beschränken, das irgendwann erfährt, dass es aus einer Eizelle entstanden ist, die schon 20 Jahre früher eingelagert wurde. Durch Social Freezing wächst potentiell der Druck auf Frauen, ihre Mutterschaft so zu planen, dass sie nicht mit den Anforderungen der Unternehmen kollidiert.
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.